Psychische Beschwerden sind nach wie vor mit einem Stigma belegt. Wir schweigen darüber, obwohl sie so normal sind wie Bauchweh.
Psychische Erkrankungen sind nicht die Ausnahme:
Jede*r von uns kommt indirekt oder direkt mit psychischen Erkrankungen in Berührung. Die Ein-Jahresprävalenz für Depression liegt bei ca. 9% und für Angststörungen bei ca. 15%. Wobei sehr unterschiedliche Daten und auch unterschiedliche Bewertungsmethoden vorliegen.
Neben diesen beiden Blockbustern existiert jedoch noch eine Reihe anderer Erkrankungen wie Suchterkrankungen, Persönlichkeitsstörungen, Demenzerkrankungen, ADHS oder Zwangserkrankungen. Viele davon geben sich gegenseitig die Hand.
Insgesamt erkrankt jede*r dritte im Laufe des Lebens an einer psychischen Erkrankung. Das bedeutet, dass es potenziell direkt um dich geht oder um einen deiner liebsten Menschen!
Bei vielen körperlichen Krankheitsbildern glauben wir im allgemeinen Sprachgebrauch eine recht klare Ursache-Wirkungs-Kette erkennen zu können. Wir wissen, dass Rauchen Krebs erzeugt, schlechte Ernährung zu Adipositas und Herzkreislauferkrankungen führt und ein Bakterium oder Virus diese und jene Krankheit auslösen.
Diese Ursache-Wirkungs-Kette ist rein medizinisch betrachtet sehr ungenau und die Wahrheit viel komplexer. Aber dieses lineare Denkmodell bietet uns zumindest einen Ansatz Klarheit und Ordnung zu verschaffen, um damit etwas Kontrolle zu erleben.
Körperliche Erkrankungen können außerdem wesentlich besser externalisiert werden. Erkrankungen des Immunsystems oder ein Knöchelbruch verstehen wir selten als Teil unserer Persönlichkeit. Sie existieren unabhängig von unserem eigenen Selbst, das wir uns als Konstante andichten und uns von anderen Menschen unterscheidbar macht. Diese scharfe Trennung zwischen Krankheit und unserem Selbst verleiht innerlich Kraft und äußerlich Mitgefühl. Das Gegenteil wird sichtbar, wenn eine Krankheit unsere Identität oder unser Selbst beeinflusst. Sich an einem Finger zu verletzen ist für eine Violinistin wahrscheinlich belastender als für einen Lehrer. Vielleicht fühlt sie dadurch sogar mehr körperliche Schmerzen.
Psychische Erkrankungen verändern ebenfalls unsere Eigenwahrnehmung. Was es noch schwieriger macht - sie sind scheinbar ein Teil von uns selbst?!
Objektiv gesehen besteht aber kaum ein Unterschied zu körperlichen Erkrankungen. In der Medizin gibt es heute viele Stimmen, die psychische Erkrankungen lediglich als eine weitere Störung eines einzigen Organs, des Gehirns (oder beteiligte neuroendokrine Organsysteme) bezeichnen. Psychische Krankheiten sind damit genau so viel oder wenig ein Teil unseres Selbst wie eine Knöchelverletzung oder Psoriasis. Auch dauerhafte Erkrankungen sind vielleicht Teil von uns, nicht aber wir selbst.
Stigma Psychische Erkrankungen auflösen
Über psychische Beschwerden zu reden ist schwer. Betroffene haben Angst vor den gesellschaftlichen Konsequenzen. Manche Beschwerdebilder sind leichter anzusprechen als andere. Ein Burnout erlebt eine andere gesellschaftliche Akzeptanz als Süchte oder Schizophrenie.
Jede*r von uns hat aber auch die Möglichkeit das Schweigen zu brechen und gemeinsam das Stigma aufzulösen. Nur so können wir eine neue gesellschaftliche Haltung erzeugen und viel Leid um uns herum auflösen.
Hallo, ich bin Peter!
Meistens bin ich voller Energie und Tatendrang. Ich identifiziere mich sehr mit meinem Beruf, der mir viel Freude und Sinn verschafft. Ich habe eine große Begeisterungsfähigkeit und kann in Ideen richtig aufblühen. Immer neue Projekte und Aufgaben erwarten mich und ziehen mich in ihren Bann. Ich habe sehr hohe Erwartungen an mich selbst, die ich eigentlich nie erfüllen kann. Hilfe zu holen ist für mich aus irgendeinem Grund mit Schwäche verbunden. Dieser Glaube gilt aber nur für mich, nicht für andere, die ich immer gerne unterstützen möchte und ich dabei nicht als schwach erlebe.
Manchmal erzeugt all das einen Sog, der mich mitreist und immer enger und schneller wird. Das geht meist einige Wochen oder Monate gut. Energie scheint nicht mein Limit zu sein, nur die Zeit begrenzt mich. Ich beginne mich dabei aber immer weniger zu spüren. Selbst meine Meditationspraxis wird dann irgendwann in das Leistungsmodell eingebaut. Auch hier versage ich - wie scheinbar in allem. Ich habe große Angst davor, dass andere Menschen erkennen könnten, dass ich ein Versager bin.
So stürze ich in eine tiefe Trauer und Leere. Für einige Tage wirkt dann alles im Leben sinnlos und schwer. Gedankenspiralen lassen meinen Körper bleiern werden. Mich aufrecht zu halten ist ein Kraftakt. Weder kann ich schlafen noch richtig wach sein…
Ich habe das Glück, ein sehr liebendes und unterstützendes familiäres Netz zu haben und Aufgaben, die meine volle Aufmerksamkeit benötigen. So habe ich es bisher immer geschafft mich doch wieder aufzurichten. Ein wunderbarer Therapeut und vielen meiner Freunde helfen mir dabei.
Trotzdem wird mich diese Thematik vielleicht noch viele Jahre oder mein Leben lang begleiten. Das ist in Ordnung. Ich habe keine diagnostizierte Erkrankung. Sehr viele Menschen geht es ähnlich wie mir. Wir müssen beginnen über diese Normalität zu reden um mehr Verständnis und weniger Vorurteile und Diskriminierung gegenüber Menschen mit psychischen Erkrankungen zu erleben.
Flowerstrom PSD
Wir machen uns stark für psychische Gesundheit!
Personen, die eine psychische Erkrankung haben, werden immer noch mit Vorurteilen und Diskriminierung konfrontiert. Ihre Krankheit wird von Stigmatisierung überschattet und der Mensch hinter der Diagnose wird oft nicht mehr wahrgenommen.
Deshalb rufen wir am 1. März zum Flowerstorm auf und fluten das Internet mit der #darüberredenwir Blume! 🌼
Die Blume ist eine bildhafte Eselsbrücke für die PSD-Wien Notfallnummer 01 31330 und soll immer daran erinnern, dass Hilfe in Notsituationen nur einen Anruf entfernt ist.
Gemeinsam können wir auf die anhaltenden Stigmen rund um psychische Erkrankungen aufmerksam machen, mit dem so viele Menschen täglich konfrontiert sind. Denn psychische Belastungen und Erkrankungen können uns alle betreffen.
#darüberredenwir
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